Produziert von Gunther Mende
Was einem so alles durch den Kopf geht, das ist manchmal einfach zuviel, besonders kurz bevor man wieder mit der Arbeit für eine neue Platte anfängt, in einer Zeit, wo gar keine Langspielplatten mehr produziert werden? CD’s werden gemacht. Irgendwie klingt das kälter.
Und dann sind da ja auch noch die Kinder. Was wil mir Sakias bloß mit seinem durchdringendem Schweigen alles sagen? Ob Larissa schon wieder mal versucht, ´ne Lautsprecherbox auszuräumen, um sich daraus endlich ein idyllisches Häuschen zu bauen? Es ist wie im Winter. Die Tage vor ´m Studiotermin werden immer kürzer. Wo bleiben bloß all die Stunden, die normalerweise ein Tag hat? Warum nur muß einem ausgerechnet vor ´m Studiotermin immer alles mögliche durch den Kopf schwirren? Jedesmal die gleiche Nummer.
Was wir sehen und hören, fassen und fühlen läßt sich immer wieder aus verschiedenen Blickwinkeln neu oder auch ganz ganz anders beschreiben. Und wenn wir es geschafft haben, uns von rechthaberischen Standpunkten zu befreien, dann öffnen sich mit den Dingen, die wir so erfahren, neue Horizonte.
Nena bleibt unruhig und sucht. Es gehört zu den Vorraussetzungen für ihre kreative Arbeit. Und dennoch läßt sich natürlich auch ihre Sensucht nach Ruhe, nach innerer Ruhe und nach “irgendwo zuhause sein” spüren. “Solange man,” sagt sie, “mit der Spannung von 100.000 Widersprüchen umgehen kann, hat man EInfälle. Wenn das nicht mehr geht, dann werden`s wohl Ausfälle. EIne endgültige Meinung von etwas zu haben, mag zwar bequem sein, dürfte aber auch zum Ende der eigenen Beweglichkeit führen. Ich suche immer wieder nach neuen Aus- und Einsichten, auch auf die Gefahr hin, hin und wieder weder ein noch aus zu wissen. Manchmal schreib ich etwas auf, nur um zu sehen, was ich denke. Und manchmal wird das dann auch ´ne Zeile für ‘n Refrain. Ich bin immer noch dabei, mich kennenzulernen. Wenigstens damit sollte man sich doch Zeit lassen.”
Nenas Ziele sind die Wege, auf die sie uns mit ihren Liedern mitnimmt. Ob wir uns nun Träumen, Tanzen oder Nachdenken verführen lassen, Nena jedenfalls hat etwas in ihrer Stimme, wovon wir uns gern mitnehmen lassen. Nenas neue Lieder können Gefühle hörbar machen. Ihre Farben sind Worte und Melodien, mit denen sie unseren Augen Ohren machen kann.
Abseits vom Alltag läßt sie uns Dinge wiederentdecken , die manchen von uns verloren gegangen sind. So dunkel ein Tunnel auch sein mag, sie findet dennoch das eine oder andere Licht, das uns wieder Mut machen kann. Und dabei ist es gleichgültig, ob sie vom armen weißen Mann, der Bäume nicht rauschen hört und die Vögle nicht singen, weil er mit all seiner Technik-Begeisterung eine ganz natürliche Verbindung zu unserer Erde verloren hat.
“Zuviel um uns herum, ist eine Illusion,” sagt Nena. “Besonders das, was wir am wenigsten dafür halten würden. Zum Beispiel unsere Flucht in unsere Alltagsidylle, wo wir uns davon blenden lassen, daß alles so technisch perfekt funktioniert, und es uns auch nicht mehr stört, daß wir immer traumloser werden. Seltsames Spiel, für Technik opfern wir unsere Träume. Manchmal will ich das einfach nicht glauben.”
Und dann, schon mitten im Studio, ist Larissa mal wieder verschwunden. Wahrscheinlich hat sie einen Kofphörer gefunden, auf dem sie wie auf einer alten Couch rumspringen kann. Ob diesmal einer der Techniker zu ihrem Opfer wurde oder doch wieder ein Musiker? Na, wie auch immer.
Mit Gunther Mende als Produzent sind auf “Und alles dreht sich” zwölf neue Lieder entstanden, die es uns eine runde Stunde an nichts fehlen lassen. Nenas Stimme ist kraftvoll und zärtlich zugleich. Die Kompositionen sind ausgeschlafen arrangiert, keine Technik-Effekte, die blenden oder nervös machen. Und dennoch, je öfter wir die Songs hören, desto mehr entdecken wir da-rin. Auf einmal atmen wir tief ein, sind entspannt und fühlen uns wohl. Musik, die man einatmen kann? Das kann es nicht sein… U”nd alles dreht sich” hat einen Zauber, den wir nicht sehen können, aber hören, den wir nicht anfassen können, aber fühlen. Wir können ihn nicht beschreiben, weil dafür keine Worte gibt. Und das ist in Ordnung so. Also hören wir uns lieber “Und alles dreht sich” noch mal an. Und da ist er dann auch wieder. Dieser Zauber. Mal hier und mal da.